Wisst ihr, welches Gefühl für mich teilweise am schlimmsten ist?
Wenn ihr merkt, dass sich jemand von euch entfernt. Wie die Person euch langsam aber sicher aus den Händen gleitet. Und ihr versucht sie festzuhalten, kämpft, aber nichts hilft.
Es ist ein Moment der Hilflosigkeit. Es gibt einfach nichts, was man tun kann.
Man schaut zu, merkt es und verzweifelt.
Man will die Person fest umklammern, aber dadurch wird es meist nur noch schlimmer.
Panik steigt auf.
Und plötzlich ist dieser Mensch, der dir vor kurzem noch so nah war, weg.
Der Mensch, mit dem du so viel geteilt hast.
Durchgestanden.
Erlebt.
Weg.
O.: „Wir reden Samstag… Nicht über Handy…
Beruhige dich.
P.s. Ich liebe dich“
O:“Lass es mich herausfinden“
C:“Ja aber wie kannst du das? Kannst du das ohne mich? Mit mir?“
O:“Mit dir ja anscheinend nicht. Ka. Ich will vor allem Freiraum. „
C:“Hm. Die Frage ist wie viel? „
O:“Anscheinend mehr als jetzt. Auch das ganze „nerven“ mit dem mit wem schreibst du usw. „
Noch viel schlimmer ist es, wenn dieser Mensch dir nicht mal einen Grund geben kann.
Versuch dir vorzustellen, wie die Person, von der du dachtest, sie sei die Liebe deines Lebens, vor dir steht und dir ins Gesicht schaut und sagt: „Es ist vorbei.“
Der Mensch, mit dem du 2,5 Jahre verbracht hast.
O:“Ich kann dir nicht mehr das geben, was du verdienst. Ich bin unfähig, derzeit eine Beziehung mit dir zu führen.
Ich weiß, dass ich dich liebe, aber es reicht einfach nicht aus.
Irgendwann werde ich dich heiraten und mit dir unsere Kinder großziehen, aber jetzt muss ich gehen.”
Worte, die in meinem Kopf keinen Sinn ergaben. Alles war wirr. Es tat weh. Als hätte jemand mein Herz herausgerissen. Würde drauf rum trampeln. Und wäre das nicht genug, mit einem Messer hindurchfahren.
Mir wurde der Boden unter meinen Füßen weggerissen. Ich strauchelte, taumelte. Meine Knie ließen nach, während er sich seine Sachen nahm und die Wohnung verließ.
Ich hatte die Tränen in seinen Augen gesehen.
Die Message drang immer mehr zu mir durch. Und ich schrie und schrie und schrie.
Es war mir egal, ob mich jemand hörte.
Ich sank in mir zusammen.
Ich zersplitterte innerlich.
Schrie. Bis ich verstummte.
Und lag einfach nur wie ein kleines Häufchen Elend auf dem Boden.
In meinem ganzen Leben hatte ich noch nie solche Schmerzen gespürt.
Ich war taub.
Ich erinnere mich nicht mehr an viel danach. Ich weiß nicht mehr, wie lange ich dort lag, wie ich hochgekommen war oder wo es für mich hin ging.
Ich weiß nur: ich war am Ende.
Ich hatte diesen Mann geliebt, mit jeder Zelle meines Körpers. Ich hatte ihn angebetet.
Ich fuhr ihn überall hin, kochte ihm das Essen, unterstütze ihn in all seinem Tun.
Ich schaute seine Fußballspiele, schrieb seine Hausarbeiten mit ihm, wusch seine Wäsche und liebte ihn. Abgöttisch. Ich baute ihn auf, wenn es ihm schlecht ging. War immer für ihn da. Ich feierte seine Erfolge. Ich hörte ihm zu. Machte jeden Schabernack mit.
Er war meine Nummer eins. War mir wichtiger, als ich selbst.
Mein Leben schien ohne ihn keinen Sinn mehr zu machen.
C:“Frag deinen Vater, ob er schon alles eingekauft hat. Ich möchte nicht mehr mitkommen zu dem Familienessen. Bitte melde mich ab und bedank dich für alles. Ich hab sie gern!“
O:“Musst du halt wissen, ob du mitkommst. Ich bedanke mich bei gar keinem in deinem Namen. Wenn du genug Anstand hast, dann kommst du mit und machst es persönlich.“
Und so weh es mir tat. Ich saß am darauffolgenden Tag trotzdem in seinem Auto. Ich hatte mich nach seinen Worten schlecht gefühlt. Er hatte mich abgeholt und wir fuhren zu seinen Eltern. Weder seine Mama, noch sein Papa hatten eine Ahnung davon. Er hatte es ihnen natürlich nicht erzählt und ich schaffte es auch nicht.
Beim Essen bekam ich nichts runter. Dabei hatte sein Vater sich so Mühe gegeben. Aber keinen Bissen. Mir war schlecht und ich kämpfte jede Sekunde damit, mir die Tränen zurückzuhalten. Ich fühlte mich wie eine Heuchlerin, aber ich hatte keine Kraft, seinen Eltern die Situation zu erkären. Und ich fand, dass es seine Aufgabe gewesen war. Es war schließlich auch seine Entscheidung gewesen.
Bis sein Papa am Mittagstisch ausrastete, da niemand sein Essen anrührte und er den Vormittag in der Küche verbracht hatte.
Ich entschuldigte mich und ging in den Flur, da ich nicht wollte, dass jemand meine Tränen sah. Ich hörte seinen Papa im Esszimmer brüllen. Seine Mama kam raus zu mir auf den Flur und beruhigte mich. Sie nahm mich einfach in den Arm und hielt mich fest. Nicht ein einziges Wort brachte ich über meine Lippen. Ich schluchzte und schniefte und konnte nicht mehr aufhören. Ich fühlte das Bedürfnis, mich zu entschuldigen. Für die ganze Situation, weil der Nachmittag und somit das Familienessen ruiniert waren.
Irgendwann gingen wir zurück ins Wohnzimmer und ich versuchte, meine Stimme wiederzufinden, um mich für ihre Unterstützung und Liebe in den vergangenen Jahren zu bedanken. Sie waren wundervolle Menschen, die immer ein offenes Ohr für mich hatten und mich in die Familie aufnahmen, als wäre ich schon immer dort gewesen.
Und was der Papa dann sagte, verblüffte mich. Es tat noch mehr weh, als ohnehin schon.
„Ich möchte, dass du weißt, dass O. gerade den größten Fehler seines Lebens begeht. Ich bin mit der Entscheidung nicht einverstanden und es tut mir im Herzen weh.“ Und er kam auf mich zu und umarmte ich. Es war das erste Mal, dass ich Tränen in seinen Augen sah und er seine Gefühle offen aussprach.
Wäre mein Herz nicht schon zersplittert gewesen, dann wäre es spätestens jetzt in tausend Stücke zersprungen.
C:“Weist du. Das Schlimmste ist, wenn man in seinem Herzen schon alles geplant hatte. Weihnachten, Urlaube, Zukunft. Alles. Mit einer Person. Weil man sie einfach liebt. Und es zu weh tut, sie zu verlieren. Ich will das nicht alles zuletzt erlebt haben. Ich will nicht, dass unsere Geschichte zu Ende ist. Es sollte in Buch werden und nicht bloß ein Kapitel.“
Ich schleppte mich am darauffolgenden Montag zur Arbeit. Meine Kollegen waren so besorgt, dass sie mich mehrmals fragten, ob ich krank wäre. Sie wollten mich nach Hause schicken, aber ich hatte Angst vor mir selbst.
Ich konnte nicht noch mehr Stunden alleine zu Hause sein. Das Wochenende war hart genug gewesen. Ich musste mich ablenken. Etwas tun.
Und als Lehrerin, umgeben von Kindern, ging das wirklich sehr gut. Ich musste mich auf die Arbeit konzentrieren. Auch die Kinder schienen zu merken, dass etwas nicht stimmte und waren ungewöhnlich ruhig und lieb, arbeiteten gut mit.
Wahnsinn, was Kinder manchmal für ein Gespür haben!
Die Mädels wechselten sich ab. Schrieben mir, besuchten mich.
Ich glaube, noch nie hat mich jemand so am Ende gesehen, wie zu dieser Zeit.
Ich hatte mich selbst verloren.
Und ohne sie, wäre ich vollkommen hilflos gewesen. Camille und Alina waren damals zwei große Stützen gewesen. Wenn sie nicht bei mir waren, schrieben sie mir, riefen mich an. Sie kamen vorbei, lenkten mich ab. Gingen mit mir spazieren. Schleppten mich mit in Bars und auf Veranstaltungen.
Und auch andere Freundinnen, wie Laura beispielsweise, gaben sich große Mühe.
Ich bin mehr als dankbar dafür, dass sie mich in dieser Zeit nicht alleine gelassen haben.
Das werde ich nie gut machen können!
Es hatte keine Erklärung gegeben. Keinen Grund. Es gab Anzeichen. Aber auch erst kurz vorher. Wenn ich jetzt zurückdenke und mir die Konversationen von damals anschaue und durchlese, würde ich mich so gerne selbst in den Arm nehmen und mir zuflüstern, dass alles gut wird. Dass dieser Schmerz nicht ewig anhalten wird.
Dass mich diese Erfahrung so unglaublich stark machen würde.
Aber so weit war ich noch nicht. So weit war ich noch lange nicht.
Bis zu dieser Erkenntnis lag ein langer Weg vor mir.
Schwierig, schmerzhaft, zerstörerisch.
O:“Mir ist schlecht.“
C:“Wovon ist dir schlecht? Warum kannst du nichts essen? Bist du so krank?“
O:“Ja wegen dir. Meinst du das ist leicht“
C:“Du musst aber essen. Bitte.“
O:“Geht nicht. Mir ist schlecht, weil die Entscheidung alles andere als leicht ist!“
C:“Du wirst sehen. Wenn du eine Entscheidung getroffen hast und die Entscheidung richtig war, wird sich Erleichterung breit machen und es wird dir besser gehen. Und das ist alles was wichtig ist. Das ist alles was zählt. Egal wie die Entscheidung ausfällt.“
O:“Es ist nicht deine Schuld. Es ist einfach der falsche Zeitpunkt!“
Ich hatte nicht mal einen triftigen Grund. Es gab keinen Anhaltspunkt für mich. In den Gesprächen vor Samstag, dem 13. November, wo ich bereits merkte, dass etwas nicht stimmte, schrieb er immer wieder, dass alles gut werden würde.
Ich liebe dich.
Wir werden uns wieder sehen.
Immer wieder ging ich alles im Kopf durch. Machte mir Gedanken; überlegte hin und her!
Er konnte mir keinen Grund nennen.
Den sollte ich erst ein Jahr später erfahren.
Und wisst ihr, was für mich in dieser Zeit Segen und Fluch zugleich war?
Auch er schien sich zu kümmern.
O. schrieb mir weiterhin. Er ließ mich nicht gehen. Er war überzeugt, dass es das Beste wäre, den Kontakt zu halten.
Seine Nachrichten waren eine Mischung aus: ich möchte mich um dich kümmern, ich möchte dich nicht aufgeben, soll ich kommen?, ich möchte dich sehen, … und abweisenden Bemerkungen. Sie waren teilweise widersprüchlich und ich war so verloren, denn alles was ich wollte, war, dass er zurückkam. Dass er seine Entscheidung rückgängig machte.
Aber das tat er nicht. Und er ließ mich auch nicht gehen. Er fädelte es immer wieder geschickt ein, dass ich mir Hoffnungen machte, dass ich ihn nicht vergessen konnte. Aber erwähnte auch regelmäßig, dass seine Entscheidung gefällt war und sie – vorerst zumindest – endgültig wäre. Er wäre jetzt Single und könne machen, was er wollte.
Wir sahen uns nach kurzer Zeit weiterhin an den Wochenenden. Die ersten 2,5 Jahre hatten wir aufgrund der Distanz zwischen unseren Wohnorten eine Fernbeziehung, weswegen wir uns auch vorher nur an den Wochenenden gesehen hatten.
Es fühlte sich an wie immer. Wie eine Beziehung. Wie unsere Beziehung. Als wäre es nie vorbei gewesen. Mit der Ausnahme, dass er regelmäßig wiederholte, dass wir kein Paar mehr wären.
Die Wochenenden waren wie der Himmel für mich, weil er da war, auch wenn ich vorsichtig sein musste und auf Eierschalen tanzte. Aber unter der Woche, wo er nicht da war, ging ich durch die Hölle.
Jeden Tag hingen seine Nachrichten von seiner Stimmung ab. Mal wurde ich wie eine Prinzessin behandelt und dann im nächsten Moment fühlte ich mich wieder wie ein Stück Dreck. Ungeliebt und unwürdig. Mal meldete er sich stundenlang nicht und mal erhielt ich minütlich Nachrichten von ihm.
Aber im Grunde genommen wusste ich nichts von den Dingen, die er trieb. Er ließ mich immer nur so viel wissen, wie er wollte. Und wenn ich nachhakte, wurde ich beschimpft oder darauf hingewiesen, dass wir ja kein Paar mehr seien und es mich schlechtweg nichts anging.
Aber hauptsache er wusste über jeden meienr Schritte weiterhin Bescheid.
Das Ganze zog sich bis Silvester. Mehrere Wochen, in denen ich teilweise Höllenqualen litt.
Natürlich kann man sagen, dass ich es mir selbst zuzuschreiben gehabt habe. Ich hätte ja gehen können. Ich musste meine Türe nicht öffnen. Ich musste keine Nachricht beantworten und keinen Anruf entgegennehmen oder auf seine Fragen eingehen.
Aber wie gesagt. Ich war überzeugt, dass ich meinen Traummann gefunden hatte. Ich war blind vor Liebe. Aber so richtig. Ich fühlte mich der Liebe eines Menschen einfach nicht würdig. Er hatte mich ja schon einmal geliebt, vielleicht tat er es erneut, denn es würde sicher niemand anders tun. Hatte kein Selbstbewusstsein. Glaubte an Nichts.
Nur daran, dass O. mich retten könnte. Nur mit ihm war ich etwas Wert. Ich war abhängig. Von ihm. Von seiner Liebe, Zuneigung. Wenn sie denn mal da war.
Bis sich an Silvester nochmal ein Hoffnungsschimmer auftun sollte…