Hallo Cynthia
Ich glaube du kannst dir vorstellen wer ich bin .
Ich weiss um ehrlich zu sein nicht was ich schreiben soll, aber ich fühle mich verpflichtet dir zu schreiben .
Ich glaube wir beide haben in den letzten Monaten und Wochen sehr viele schwere Zeiten durch gemacht . Denn glaub mir , bei Otten und mir lief es nicht immer gut .
Du und ich , wir beide kennen uns nicht , aber wir beide haben uns gegenseitig so hochgeschaukelt und provoziert . Daran sind wir beide denke ich mal kaputt gegangen . Du bist viel älter als ich und hast auch eine längere Vorgeschichte mit Otten.
Vor 6 1/2 Monaten habe ich den wundervollsten Menschen kennengelernt .
Ich schreibe dir hier weil ich dir sagen möchte , dass Otten und ich das Verhältnis zwischen uns aufgelöst haben . Wir werden keine Tage und Nächte mehr miteinander verbringen .
Wir werden Kontakt haben , weil wir einander wichtig sind und wir Freunde bleiben wollen .
So und Cynthia das mache ich wirklich , weil ich möchte das Otten glücklich ist .
Und er ist glücklich wenn du bei ihm bist . So schwer mir diese Sätze hier auch fallen , aber er wird mich niemals lieben . Er liebt jemand anderen . Und das bist nun mal du .
Ich kann Otten kein schöneres Geschenk geben als dich . Ihm musste nur mal die Augen geöffnet werden .
Glaub mir Cynthia er ist mit der wichtigste Mensch in meinem Leben und ich liebe ihn wirklich aus tiefstem Herzen und genau aus diesem Grund muss ich ihn loslassen.
Ich weiss er hat Fehler gemacht aber er will es besser machen und wer kennt ihn besser als du und ich .
Er wird es besser machen wenn er es verspricht !
Ich hoffe das ihr beide das mit euch wieder hinbekommt und ich bitte dich darum ihm zu verzeihen und auch mir zu verzeihen .
Ich bin ein fairer Mensch und möchte wirklich nur das beste für ihn und ich bin es nun mal nicht . Aber vielleicht bist du es . Du sagst ja selbst , dass er für dich der eine Richtige wäre .
Ich bin jung , ich versuche weiter zu kommen .
Ich hoffe das dich dieser Text nicht vollkommen aus der Bahn wirft ,auf der Arbeit .
Und ich hoffe das du einen schönen Tag haben wirst und das richtige machen wirst . Denn Otten hat mir was versprochen und du wirst sehen was es sein wird .
Alles Gute für die Zukunft
Steffi
Habt ihr jemals eine solche Nachricht erhalten?
Ich stand im Klassenraum, die letzte Stunde hatte begonnen. Ich warf einen Blick auf mein Handy, um die Uhrzeit zu checken. Stattdessen zeigte mir mein Bildschirm eine WhatsApp Nachricht an. Auch wenn ich ihre Numemr nicht hatte, so stand hier doch „Steffi“ und mir wurde ganz flau im Magen. Wie viele Steffis kannte ich? Wie viele dieser Steffis würden ihren Text mit den Worten „Ich glaube du kannst dir vorstellen, wer ich bin…“ beginnen?
Meine Beine ließen nach, ich plumpste auf den Stuhl, der neben mir stand.
Mir wurde kurz schwarz vor Augen und erst ein wiederholtes „Frau Locht?“ holte mich aus dem Paralleluniversum zurück.
Ich kümmerte mich kurz um das Anliegen meiner Schüler. Aber sie waren gut beschäftigt. Fleißig. Erledigten ihre Aufgaben.
Ich konnte nicht anders, musste die Nachricht öffnen. Mein Herz rutschte mir nun komplett in die Hose und die Nachricht katapultierte mich erneut zurück ins Nichts.
Ich stand neben mir und konnte kaum einen klaren Gedanken fassen.
Und hier saß ich nun, in meinem Klassenraum. Die letzte Unterrichtsstunde lief, aber ich bekam kaum noch etwas mit, da ich ihre Nachricht gelesen hatte. Ich zitterte am ganzen Körper. Riss mich grade noch zusammen, nicht vor meinen Schülern loszuheulen oder aus dem Klassenraum zu stürzen.
Ich weiß, dass ich die Fähigkeit habe, nach Außen hin weiter ruhig zu wirken und in Stresssituationen die Ruhe zu bewahren, um niemand sonst zu beunruhigen. Aber wenn der Stress sich gelegt hat, dann bricht alles aus mir heraus.
Also wartete ich, bis die Glocke klingelte und ich auch den letzten Schüler verabschiedet hatte. Ich setze mich erneut auf meinen Lehrerstuhl und sackte in mir zusammen. Ich las die Nachricht immer und immer wieder. In mir stiegen gemischte Gefühle auf. Wut, Angst, Unwohlsein, Übelkeit, Tränen.
Niemals, auch nicht im Traum (oder Alptraum) hatte ich damit gerechnet!
Man kennt Situationen von anderen. Aus Filmen, Serien, Büchern. Aber ich selbst?
Nein, mir passiert das nicht.
Ich habe es geahnt.
Habe davon gehört. Von ihr.
Schon lange bevor sie mir schrieb.
Sie war oftmals Thema. Streitpunkt.
Aber die Diskussion endete immer mit den Worten: Was willst du eigentlich? Wir sind nicht zusammen. Und ich bin doch jetzt hier, bei dir! Wenn dir das nicht reicht, wenn du damit nicht umgehen kannst, dann gehe ich.
Also machte ich so lange gute Miene zum bösen Spiel, bis mir wieder der Kragen platzte.
Mal hielt ich es eine Woche aus, vielleicht auch mal zwei. Und manchmal nur ein paar Tage oder sogar Minuten.
Ich war überfordert. Mit der Situation, meinen Gedanken und meinen Gefühlen.
Ich wollte diesen Kerl, weil ich so überzeugt von „unserer“ Liebe war. Von der Zukunft, die ich mir für uns, für ihn und mich ausgemalt hatte.
Und im Grunde genommen hatte er recht. Wir waren nicht zusammen. Auch wenn es sich so anfühlte.
Im Nachhinein weiß ich, dass es eine Sache von Respekt war. Ich weiß, dass ich jederzeit die Option gehabt hatte, ihn rauszuwerfen oder selbst zu gehen. Aber die Kraft dazu, die hatte ich nicht. Ich hatte nicht den Mut. Ich hatte Angst. Angst, alleine zu sein. Weil er mir das Gefühl gegeben hatte, dass nichts und niemand mich jemals so lieben könnte wie er. Wer war ich auch? Ich hatte nicht besonders viele Freunde. Eher ein paar Bekannte. Mit meinen Eltern war ich zerstritten und der Rest meiner Familie war halt meine Familie. Und weil ich wusste, dass ich schwach war, traute ich mich auch nich, mich vor Freunden oder Familie zu äußern und zu öffnen. Abgesehen davon, dass er mir verboten hatte, über uns, unsere Probleme, mit anderen zu sprechen. Es war mir auch peinlich, mich anderen gegenüber so schwach zu zeigen. Ich wusste ja, dass die Situation, in der ich mich befand, nicht gut war. Aber ändern konnte und wollte ich sie ja irgendwie doch nicht.
Und wenn selbst meine Eltern mich nicht lieben konnten, nicht stolz auf mich sein konnten, wie konnte es dann jemand anders?
Und noch viel schlimmer: ich schaffte es ja selbst nicht, mich zu lieben. Wenn ich schon nicht in den Spiegel schauen und mir sagen konnte, was ich an mir mochte, weil ich einfach nichts mehr sah- wie sollte es dann jemand anders tun?!
Und da war der Punkt. Es war ein Kreislauf. Ein Teufelskreis.
Wenn ich versuchte, mich zu ändern oder Dinge an mir zu finden, die ich mochte, kam kurz darauf eine Erinnerung, eine Stimme, die wieder den Fokus auf das legte, was an mir nicht perfekt war.
Immer und immer wieder wurde ich erinnert, wurde mir aufgezeigt, mir unter die Nase gerieben, was an mir nicht gut war, was andere hatten, aber ich nicht. Woran ich stärker arbeiten sollte, was ich verbessern musste, lernen. Und egal wie hart ich trainierte, wie viel ich lernte, wie sehr ich verzichtete: es war nie gut genug. Ich wurde ständig verglichen und fühlte mich auf meine Diskrepanzen und Fehler reduziert.
Wir hatten so viele Diskussionen gehabt, aber nie wusste ich wirklich mehr als ihren Namen.
Steffi.
Alle Stefanies, die ich kannte, waren wunderschön. Sie auch.
Und wenn er sich damals ihretwegen (auch wenn er das verneinte) von mir getrennt hatte, musste sie einfach der Typ Frau sein, von dem er so oft geschwärmt hatte.
Sie war schlank, sportlich. Bestimmt auch erfolgreich. Schlau. Sie hatte wahrscheinlich keine Nilpferdwaden und konnte ihr Essverhalten kontrollieren.
Traurigerweise war dies nicht meine erste Situation, in der ich herausfand, dass es eine andere gab.
Aus meinen bisherigen Erfahrungen hatte ich gelernt, dass jede Medaille zwei Seiten hat. Zu jeder Story gibt es mehr als nur eine Version. Und nein, es ist nicht immer nur die andere Person Schuld! Der Partner trägt in dem Moment ebenso die Verantwortung am Betrug. Oftmals wissen die anderen Personen ja nicht mal, dass es bereits jemanden gibt. Oder sie gehen davon aus, dass die Ex auch wirklich die Ex ist.
Kurz bevor ich Steffis Nachricht erhielt, hatte ich Otten gebeten, dass er mir ihre Nummer gab, damit ich mich mit ihr austauschen konnte. Wahrscheinlich fragt ihr euch, warum ich auch nur ansatzweise das Bedürfnis gehabt haben könnte, mich mit der Person auszutauschen, die „die Andere“ war.
Auch wenn es mir im Nachhinein unverständlich und absolut peinlich ist… Ich erkläre es euch gerne.
Bei meiner Forderung, dass er sich entscheiden sollte, hatte er mir klar gemacht, dass er es unfair fand, sich für eine zu entscheiden und die andere komplett aus seinem Leben zu streichen. Sein Wunsch war es, dass wir einander akzeptierten und auch seinen Kontakt zu uns beiden bewilligten. Dazu hatte ich ihm gesagt, müsste ich Steffi kennen. Denn wie sollte ich einer Person vertrauen, die mir unbekannt war?
Steffi schien das ebenfalls so zu sehen und schrieb mir. Beziehunsgweise war ihr Ansatz ja, dass sie die Beziehung zu Otten beendete, wie aus ihrer Nachricht hervorging.
Meine Theorie damals war aber, dass sie wusste, dass Otten die Nachricht lesen würde. Sie wusste, dass Otten die Nachricht gutheißen und positiv bewerten würde.
Und die Male, in denen er mich danach besuchen kam, machte sie trotzdem Stress. Es ging ihr, verständlicherweise, nicht gut. Was für mich nur bestätigte, dass sie ihre Worte nicht Ernst gemeint hatte.
Also schrieben wir, lernten uns kennen und verabredeten uns sogar. Otten zuliebe.
Und hier kommt der Punkt, den ich nicht verstehe: Warum ließ Otten das zu? Es musste ihm doch klar gewesen sein, was er alles zu verlieren hatte und was alles ans Licht kommen könnte?
Alle Dinge, die er ihr anvertraut hatte und die Dinge, die er mir anvertraut hatte.
Warum war es für ihn trotzdem okay, dass wir uns trafen?
Er konnte doch nicht erntshaft geglaubt haben, dass es gut ging und dass er am Ende des Tages uns beide in seinem Leben behalten konnte, problemlos.
Am 13. Juni war es dann soweit. Steffi und ich trafen uns. Ich nahm nachmittags Bus und Bahn und machte mich auf den Weg nach Köln. Um 16 Uhr wartete sie bereits auf mich.
Wie ihr euch vorstellen könnt, war die Situation mehr als seltsam.
Wie begrüßt man sich, was sagt man, wie verhält man sich?
Wir spazierten ein paar Meter und machten uns auf den Weg in Richtung Café, wo wir in Ruhe miteinander reden und uns aussprechen und kennenlernen wollten.
Nach den ersten Metern war uns beiden aber klar, dass wir uns auf Anhieb sympathisch waren, viel gemeinsam hatten und uns gut verstanden. Und nach ein paar weiteren Schritten waren wir brutal ehrlich, legten die Karten auf den Tisch und erzählten uns alles. Alle Geheimnisse, alles, was in den letzten Wochen und Monaten passiert war. Was hatte er ihr verklickert, was mir. Welche Nachrichten erhielt sie und was schrieb er mir.
Es kamen so viele Dinge ans Licht. Uns beiden wurde schwarz vor Augen, Übelkeit stieg auf und vor allem: Wut.
Wir wollten Antworten. Das war er uns schuldig.
Mitten am Rhein blieben wir stehen. Ich rief Otten an und heulte ins Telefon, dass Steffi und ich uns gestritten hätten und ich nicht wusste wohin mit mir. Dass ich ihn brauchte und ihn sehen wollte.
Daraufhin rief er Steffi an, die neben mir stand und meine Hand hielt. Er regte sich auf und bestellte auch sie zu ihm nach Hause, damit wir die Sache zu dritt regeln konnten.
Steffi und ich stiegen gemeinsam in den Bus und planten unser Vorgehen.
Wir wollten das Theater etwas aufrecht erhalten und schauen, wie er reagierte, was er verlangte, bevor wir ihn vor die Wahl stellten.
Bei Otten angekommen, öffnete er die Türe und wir gingen gemeinsam in seine Wohnung, die uns dreien nur allzu bekannt war. Wir alle hatten hier unzählige Tage und Nächte verbracht, Erinnerungen, Momente, Augenblicke geteilt.
Das Gespräch nahm seinen Lauf und als der entscheidene Moment, die Frage aller Fragen kam, brach er einfach zusammen. Er sank auf den Boden und weinte.
So hatte ich ihn noch nie gesehen. Etwas in mir wollte zu ihm, ihn in den Arm nehmen und sagen, dass alles wieder gut werden würde. Aber ich bleib im ersten Moment sitzen.
Ich konnte nicht. Ich hatte in den letzten Stunden zu viele schlimme Dinge erfahren. Ich war selbst kaputt. Ich hatte während dem Gespräch nur still dagesessen und Steffi die Führung überlassen, weil meine Kräfte aufgebraucht waren. Die meisten Worte bekam ich nur mit Mühe und Anstrengung heraus.
Steffi im Gegenzug fand die Kraft, hockte sich auf den Boden zu ihm und nahm ihn in den Arm. Und in Zugzwang, tat ich es ihr kurz darauf nach, kniete mich dazu und hielt seine Hand.
Die Zeit verging und wir eröffneten ein Thema nach dem anderen, sprachen über alles.
Ich erhielt nicht auf jeden Punkt eine Antwort, aber fürs erste musste ich mich damit zufrieden geben.
In der Zwischenzeit war es draußen dunkel geworden. Ich suchte nach Mitfahrgelegenheiten, denn Züge gab es keine mehr.
Während Otten im Bad war, sprachen Steffi und ich.
„Er sollte die Nacht nicht alleine verbringen. Jemand sollte bei ihm bleiben.“
Mir war nicht danach, die Nacht mit ihm zu verbringen, aber auch nicht danach, Steffi mit Otten alleine zu lassen.
Sie musste meine Gedanken gelesen haben.
„Ich kann gerne hier schlafen. Pierre, Ottens Mitbewohner ist ja eh nicht hier. Ich lege mich dann einfach in sein Bett.“
Und auch der Gedanke gefiel mir nicht, wenn ich ehrlich war.
Ich wusste nicht, was ich wollte. Aber jetzt zu gehen und die beiden alleine in der Wohnung zurückzulassen, fühlte sich wie ein erneuter Verlust an.
Die Idee, Otten entscheiden zu lassen, war auch keine gute.
Also blieben wir beide. Otten in seinem Bett, Steffi und ich im Bett von Pierre.
Ich bekam kein Auge zu. Während Steffi neben mir schlief, drehte ich mich zur Wand und versteckte ich mich in Kindeshaltung unter meiner Decke, hielt mir das Kissen aufs Gesicht. Mir liefen die Tränen über die Wangen und ich wollte sie nicht mit meinem Schluchzen aufwecken.
Als es schlimmer wurde, schlich ich mich aus dem Zimmer, ging kurz ins Bad und setzte mich dann in der Küche auf den Boden.
Tief im Inneren hoffte ich, dass Otten meinen Schmerz spüren und zu mir kommen würde.
Ich wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als ich plötzlich Schritte im Gang hörte.
Mein Kopf lag in meinem Schoß und ich wollte nicht aufblicken. Meine Augen waren rot und meine Sehkraft sowieso von einem Schleier bedeckt. Eine Hand legte sich auf meinen Kopf, streichelte mir das Haar.
Nein, es war nicht Otten. Es war Steffi. Sie konnte scheinbar auch nicht schlafen, war aufgewacht und hatte mich gesucht.
Stillschweigend saßen wir nebeneinander, während sie einfach meine Hand hielt.
Und nachdem ich mich etwas beruhigt hatte, fingen wir an zu reden. Darüber, wie es uns ging, was wir für Gedanken und Gefühle hatten. Wie es weitergehen sollte.
Irgendwann gesellte sich auch Otten zu uns und mittags wurde es Zeit für mich, zurück nach Belgien zu fahren. Steffi fuhr mich zur Bahn.
Bei unserem Abschied hatten wir Otten vor die Wahl gestellt. Niemand von uns konnte mit diesem Dreiergespann umgehen. Er musste sich entscheiden. Sie oder ich. Und bis er die Entscheidung getroffen hatte, wollten wir den Kontakt zueinander abbrechen.
Tage vergingen und sie waren eine Qual. Steffi und ich schrieben weiter, versuchten uns gegenseitig aufzubauen. Aber wir merkten schnell, dass dies in der Situation einfach nicht gut war. Einerseits konnte uns niemand so verstehen, wie wir einander, aber andererseits erinnerten wir uns auch gegenseitig an die Wunden und an alles, was so frisch passiert war.
Ich versuchte für mich selbst herauszufinden, was ich eigentlich wollte. War ich bereit, diesen Menschen wieder in mein Leben aufzunehmen? War ich bereit, ihm zu vertrauen, nach allem, was wir durchgemacht hatten? Wollte ich das?
Aber ich hatte das Gefühl, keine Wahl zu haben. Wie oft hatte Otten mir zur Seite gestanden, als es mir nicht gut ging? Wie oft hatte er mir bei meinen Problemen geholfen? Hatte er nicht einen ganzen Sommer lang mit mir für meine Nachprüfungen gelernt? Da konnte ich ihn jetzt nicht liegen lassen. Jetzt, wo er mich wirklich brauchte.
Sollte er sich denn für mich entscheiden.
Aber warum lag die Entscheidung eigentlich bei ihm? Warum konnte ich damals nicht sagen: Hey, das tut mir weh. Nach allem, was du mir angetan hast, will ich nie wieder was von dir hören und dich nie wieder sehen!
Ja, warum konnte ich das nicht sagen?
Und dann kam sie, die Nachricht, in der er mit mir reden wollte.
Wir trafen uns kurz darauf und er sagte mir, dass er sich gegen Steffi und für mich entschieden hatte. Es fiel ihm nicht leicht, aber er wusste, was er wollte.
Ich wusste nicht, ob ich mich freuen sollte oder nicht. Spürte weder Erleichterung, noch Freude, noch sonst was. Mein Innerstes war taub.
Ich fühlte mich Steffi gegenüber schlecht und Otten gegenüber verpflichtet. Jetzt, wo er sich entschieden hatte, konnte ich keinen Rückzieher mehr machen. Sonst wäre er ganz alleine gewesen. Er brauchte mich jetzt.
Er versprach mir, sich zu ändern. An sich zu arbeiten, damit wir wieder eine Beziehung aufbauen konnten. Auch wenn wir noch nicht von einer Beziehung miteinander sprachen, so doch von einer zueinander. Wir gingen es langsam an, ein Schritt nach dem anderen.
Wir beide brachen zum damaligen Zeitpunkt den Kontakt zu Steffi ab. Das war die Abmachung.
Das Leben ging weiter und im August desselben Jahres suchte ich mir eine Wohnung in Köln und zog nach Deutschland.
Ab diesem Zeitpunkt wohnte Otten quasi bei mir. Jeden Tag war er da. Wartete auf mich, wenn ich nach der Arbeit Heim kam und war immer da.
Und im Oktober zog sein Mitbewohner aus und ich ein. Also wohnten wir zusammen, auch wenn wir offiziell noch kein Paar waren. Aber inoffiziell, von unserem Verhalten her schon.
Die Zeit verging. Wir gingen zur Uni, ich arbeitete. Wir liefen Händchen haltend durch die Stadt, planten Urlaube und Reisen, fuhren gemeinsam in die Heimat zu seinen Eltern, unternahmen Sachen mit seinen Freunden,…
Offiziell wurde es dann am Valentinstag des nächsten Jahres.
Wir saßen im Vapiano und aßen unser Standardessen, als er plötzlich meine Hand nahm und mich ganz nervös fragte, ob ich ab jetzt wieder offiziell mit ihm zusammen sein möchte.
Als Antwort gab ich ihm einen Kuss.
Und von da an starteten wir gemeinsam in unsere nächste und auch letzte gemeinsame Zeit.
Es gab Höhen und Tiefen, über die ich hier aber nicht mehr berichten möchte und werde.
Dieses Kapitel ist, wie bereits angekündigt, für mich abgeschlossen.
Vielleicht überlege ich es mir irgendwann nochmal anders und schreibe auch über unsere guten Zeiten. Denn die gab es auch.
Ich glaube nicht, dass er mir absichtlich so weh getan hat. Ich glaube, dass Menschen sich ihrer Handlungen manchmal gar nicht bewusst sind. Sie handeln aus ihren eigenen Überzeugungen, ohne sich der möglichen Konsequenzen oder Auswirkungen bewusst zu sein.
In diesen Jahren habe ich unglaublich viel gelernt. Über mich selbst. Und vor allem habe ich herausgefunden, was ich nciht will.
Ich habe meine Liebe zum Sport entdeckt, mich mehr mit Mode, gesunder Ernährung auseinandergesetzt.
Ich wäre, ohne diesen Menschen und ohne diese Erfahrungen, heute nicht die Person, die ich bin.
Nachdem die Beziehung beendet war, habe ich nach geraumer Zeit erneut Kontakt zu Steffi aufgenommen und mich entschuldigt. Ich habe ihr all die Gedanken und Gefühle geschildert, die ich damals nicht loswerden konnte.
Wir trafen uns daraufhin erneut, gingen gemeinsam auf den Weinmarkt in Köln und sprachen uns aus.
Aber von jetzt an, war sie Steffi für mich. Und nicht Otten´s Steffi.
Manchmal schließt sich eine Türe, und zehn andere öffnen sich.