„Du hattest mir gar nicht erzählt, dass du auch Gitarre spielst und singen kannst?!“
„Naja, das ist jetzt nichts, was ich jedem erzähle.“
„Und bekomme ich auch ein Privatkonzert?“
Okay, ich habe es dieses Mal wirklich drauf angelegt und etwas provokativer und einfach direkt gefragt. Ich dachte mir, wenn er mich nicht mehr sehen will, wird er schon eine Möglichkeit finden, abzusagen oder es nicht zustande kommen zu lassen.
Ehrlicherweise hatte ich nicht mit einem „Wann du willst“ gerechnet. Aber da war es nun.
„Wir sehen uns also nochmal?“
„Klar!“
„Naja, für mich war das jetzt nicht so klar. Entschuldige, dass ich frage…“
„Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Frag mich immer, wenn du etwas wissen willst. Ich bin total ehrlich!“
„Na dann… Was hieltst du von unserem Treffen am Montag?“
Ich wollte es wirklich wissen. Ich hatte einfach keine Lust mehr auf Spielchen und mir war es wichtig zu erfahren, wo ich dran war und was seine Intentionen waren. Klarheit. Ganz einfach. Nach all dem Hin und Her brauchte ich jetzt wen, der ehrlich und direkt war und wusste, was er wollte.
„Mein Eindruck von Montag… Du hast wenig geredet, schienst nervös, wobei das, wenn man unser Date betracht, absolut verständlich war. Allerdings ist mir aufgefallen, dass wir nicht besonders viele gemeinsame Interessen haben.[…] Aber ganz wichtig: Alles, was ich sage, sage ich mit dem Bewusstsein, dass wir nur ein gemeinsames Abendessen hatten und dass viele meiner ersten Eindrücke falsch sein können. Die Dinge, die sich eventuell schlecht anhören, erscheinen mir aber nicht unbedingt als schlecht. Ich sehe sie lediglich als etwas, das es zu bedenken gilt, in Bezug darauf, ob es passt. Und Beziehungen entstehen schließlich aus vielen verschiednen Dingen.“
Ich konnte ahnen, wie viel Zeit er sich genommen und dass er jedes Wort mit besonderer Vorsicht ausgewählt hatte, um mir nicht vor den Kopf zu stoßen oder mich zu verletzen. Ich war berührt, von so viel Empathie und Feinfühligkeit! Das hatte ich wirklich selten erlebt. Ich las seinen Text erneut, um auf die einzelnen Punkte eingehen zu können. Und in vielen stimmte ich ihm zu.
Für meine Antwort nahm ich mir ebenfalls Zeit. Es erweckte meine Neugier, dass er sich, obwohl er es nicht hätte tun müssen, so viel Zeit genommen hatte, nur um meine Gefühle nicht zu verletzen.
Wie wundervoll bitte, dass es noch Menschen gibt, die ihre Worte nicht wie Schüsse abfeuern, ohne Rücksicht auf Verluste!
Wir schrieben noch ein wenig hin und her und verabredeten uns dann erneut für den kommenden Montag. Und schon überraschte er mich erneut: „Wo würdest du dich wohl fühlen, dass wir uns sehen?“
Es ist eine so simple Frage, aber für mich steckte so viel mehr dahinter. Allein der Gedanke, dass, mich zu ihm nach Hause zu bitten oder davon auszugehen, zu mir nach Hause zu kommen, mich in Unwohlsein wägen konnte, bezeugte seine Empathie. Immerhin war er derjenige, der an dem Abend die Gitarre auspacken und für mich singen würde. Ich war mir ziemlich sicher, dass ich nicht den Mut dazu gehabt hätte. Aber das wollte ich ihm nicht auf die Nase binden, aus Angst, dass er sonst einen Rückzieher machen würde.
Und dann schlug er einen Park vor. Ich genoss es, dass er sich Gedanken machte und selbst mit Ideen und Vorschlägen kam. Noch etwas, das ich besonders an Männern mag: Initiative!
Den Park, den er ausgewählt hatte, kannte ich noch nicht. Er sendete mir einen Link, damit ich mir den Ort auf Google Maps anschauen konnte. Mitten in Montjuic – einer meiner Lieblingsorte in Barcelona. Wir vereinbarten noch eine Uhrzeit und fertig.
Am Montag freute ich mich bereits auf das Treffen am Abend und war total gespannt! Ich hatte einen freien Tag und war vorher noch mit anderen Freundinnen verabredet – zum Shooten, Internet kündigen und Abendessen. Obwohl ich den Tag Zeit gehabt hatte, musste ich mich am Ende wirklich beeilen, um noch mehr oder weniger pünktlich anzukommen.
Nach der Dusche packte ich eine Tasche mit einer Flasche Wasser, zwei Bechern, einer Decke und einer Musikbox. Falls er notfalls doch nicht singen wollen würde, hätten wir zumindest die Möglichkeit, Musik zu hören.
Ich schaute auf mein Handy. Der Weg rauf zum Park war gar nicht so einfach und es gab keine direkte Verbindung. Ich hoffte, dass ich den Eingang sofort finden würde, da er dort auf mich warten würde. Ich sprintete zum ersten Bus und spazierte später die Stufen und den Berg hinauf. Ich wusste wirklich nicht, warum ich eigentlich geduscht hatte! Auf halbem Weg gingen unzählige Stufen nach oben. Ich war nass geschwitzt und die schwere Luft machte mir zu schaffen. Meinen Fächer hatte ich natürlich zu Hause liegen lassen. Ja, dort lag er gut! Wozu hatte ich das Ding eigentlich? Bei der Hälfte der Stufen verfluchte ich ihn innerlich und wäre am liebsten abgedreht, um einen Sprung ins Schwimmbad zu wagen, welches direkt neben mir auftauchte.
Aber alles beschweren brachte nichts. Ich musste schlussendlich doch weiter gehen und setzte notgedrungen einen Fuß vor den anderen. Oben angekommen, suchte ich verzweifelt nach dem Eingang. Ich war jetzt schon zu spät und ärgerte mich, nicht früher losgegangen zu sein. Noch so ein Klassiker! Ich musste WIRKLICH an meinem Zeitmanagement arbeiten! Aber irgendwann sah ich den Eingang, wo er mit seiner Gitarre auf den Stufen vor dem Park saß. Wir begrüßten uns und gingen dann gemeinsam los. Ich war dieses Mal nicht aufgeregt oder nervös. Einfach nur entspannt und neugierig. Wir liefen eine kleine Runde durch den Park, bis wir schließlich die Decke ausbreiteten und uns aufs Gras setzten.
Ich muss euch hier einfach ein Foto anhängen! Der Ort war wirklich romantisch und ich habe mich wie in einem Film gefühlt! Vor uns ein kleiner Teich mit einem Sprinkler und hinter uns kleine Wasserterrassen/Wasserfälle (ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll also seht selbst.) Und mittendrin wir. Auf einer Decke, mit Gitarre, in der Abenddämmerung.
Zu Beginn saßen wir einfach nur nebeneinander und quatschten. Stellt euch vor, ich habe dieses Mal tatsächlich etwas mehr erzählt! Die Atmosphäre war viel lockerer und entspannter und wir haben viel gelacht. Es war so schön, mit jemandem zu reden, der den gleichen Humor hat und nicht nur Sarkasmus und Ironie versteht, sondern mit eben diesem Humor auch antwortet.
Irgendwann drehte er sich um und packte seine Gitarre aus. „Immerhin hab ich sie ja nicht umsonst mitgeschleppt!“
Das erste Lied, das er spielte, war jenes, welches er bereits in seiner Story gesungen hatte. Und ich saß einfach nur auf der Decke, mitten im Grün und hörte ihm zu. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte er nicht aufhören und durchgängig weiterspielen sollen. Die Energie war so schön und ich entspannte mich in seiner Gegenwart. Ich hörte so gerne den Klängen der Gitarre und vor allem auch seiner Stimme zu. Ich legte meinen Kopf auf meine Knie und schloss immer mal wieder die Augen. Das Wetter war inzwischen angenehm warm und um uns herum war es still. Lediglich das Plätschern des Wassers und die Schritte sowie Wortfetzen von vorbeiziehenden Passanten hörte man ab und zu. Und es waren wirklich nicht viele.
Als das Lied zu Ende war, wusste ich nicht, was ich sagen sollte. Es war wundervoll gewesen und ich bedankte mich einfach! Mit einem Grinsen vom einen Ohr zum anderen. Dieser Moment löste so viele Glücksgefühle in mir aus und ich wartete bereits auf das nächste Lied.
Nach mehreren Songs schaute er mich an: „Ich habe gestern extra noch das Lied gelernt, welches du in deine Story gepostet hast. Ich bin einfach mal davon ausgegangen, dass es dir wohl gefallen hat. Sei nicht zu hart mit mir, wenn es nicht so gut klappt, aber ich wollte es versuchen!“
Mein Herz!!!! Wie lieb konnte man sein? Extra noch ein Lied und den passenden Text zu lernen, um es mir vorzusingen und vorzuspielen. Da war ich komplett verloren! Natürlich verspielte er sich nicht einmal und sang es auch noch perfekt!
Soll ich euch was verraten? Ich glaube er weiß es nicht, aber ich konnte es mir nicht nehmen lassen, das letzte Lied aufzunehmen! Ich wollte es mir zu Hause nochmal und nochmal und nochmal anhören und sicher gehen, dass ich nicht geträumt hatte! Und auch jetzt bekomme ich noch Gänsehaut, wenn ichs mir anhöre!
Beim ersten Date wusste ich nicht mal, ob ich den Kerl gut fand und ob ich ihn wieder sehen wollte und jetzt merkte ich, dass wir vielleicht nicht unbedingt 100 Dinge gemeinsam hatten, aber dafür auf menschlicher Ebene uns wahnsinnig ähnlich waren. Wir verstanden uns wirklich gut und zurückblickend glaube ich, dass die seltsame Stimmung beim ersten Treffen einfach der Grundsituation zuzuschreiben war.
Trotzdem hielt ich mich noch zurück. Ehrlicherweise versuchte ich vor allem mich selbst zu schützen, weil ich es nicht vertragen würde, so schnell wieder verletzt oder enttäuscht zu werden. Vor über einem Jahr hatte eine andere Story begonnen und diese schien damals vielversprechend. Ich hatte aus meiner Vergangenheit gelernt – so hoffte ich zumindest – und versuchte, nicht zu viel hineinzuinterpretieren, sondern mir vor allem die Zeit zu nehmen, mich und auch die Situation zu analysieren.
Ich war begeistert! Wirklich!
Er packte seine Gitarre weg und drehte sich wieder zu mir um. Wir redeten noch eine ganze Weile weiter und ich merkte, wie er mit der Zeit immer ein bisschen näher an mich heranrückte.
„Ist dir eigentlich kalt?“, fürsorglich und aufmerksam war er also auch noch!
Ich vergaß komplett die Zeit! Um uns herum war es inzwischen dunkel geworden und es schien mir, als wären wir die einzigen, die noch im Park saßen. Aber ich hatte keine Angst. Dazu genoss ich den Augenblick einfach zu sehr. War viel zu gefangen in der Magie.
Und als würde man das Ganze kaum noch toppen können, so schaffte er es doch, indem er sich zu mir rüberlehnte, mein Gesicht in seine Hände nahm und mich küsste.
Ich fühlte mich wieder wie ein Teenager, als ich mit 15/16 im Flur stand und mit meinem Schwarm rumknutschte. Ohne Rücksicht auf die Öffentlichkeit. Ich weiß wirklich nicht, wie lange wir so da gesessen und gelegen hatten, aber es wurde auf jeden Fall sehr spät.
Irgendwann standen wir auf und räumten unsere Sachen zusammen. Er streckte seine Hand aus und überreichte mir sein Plektrum. „Als Erinnerung an den Abend.“
Klar, als ob ich dieses Date jemals vergessen würde! Aber wie lieb war die Geste bitte wieder?
Der Ausgang, der am nächsten bei uns gelegen war, war in der Zwischenzeit zugesperrt worden. Ich hatte nicht mal mitbekommen, dass irgendjemand das Tor geschlossen hatte. Also liefen wir zurück zum Haupteingang. Nur um auch hier vor einem verschlossenen Tor zu stehen. Ich fing an zu lachen! Das durfte doch echt nicht wahr sein?! Der Park war komplett umzäunt gewesen und im Internet hatte gestanden, dass er 24/7 offen wäre. Lüge, kann ich euch sagen! Uns blieb nichts anderes übrig, als über den Zaun zu klettern.
´Super!´, dachte ich,´Jetzt kann ich hier meine Kletterkünste auspacken und mich zum Affen machen.´
Er half mir und ich war bemüht, nicht tollpatschig zu sein.
Und von hier aus spazierten wir in Richtung zu Hause. Ich war immer noch leicht überfordert mit der Situation, da ich nicht erwartet hatte, dass das Treffen eine solche Wendung nehmen würde. Und nach allem, was in den letzten Wochen passiert war, wollte ich erstmal meine Gedanken ordnen. Ich glaubte zu merken, dass er überlegte, ob er meine Hand nehmen sollte oder nicht. Aber ich war froh drum, dass er es nicht tat.
Alles, was ich jetzt brauchte, war Schneckentempo. Ich weiß, dass ich mich für etwas, beziehungsweise jemanden unglaublich schnell begeistern kann. Aber genau so schnell kann das auch abflachen. Und ich wollte sichergehen, dass er mir gefiel und nicht einfach nur die Situation oder die Tatsache, dass jemand nett zu mir war. Ich erinnerte mich an die Situation damals mit dem Schwaben, wo ebenfalls alles traumhaft und gefühlt perfekt war. Wo es aber am Ende viel zu schnell ging und wir dem Ganzen nach kurzer Zeit bereits ein Etikett gaben, für das ich noch nicht bereit gewesen war.
Ich wollte den Fehler nicht nochmal machen. Ich wollte es nicht verkacken, mich nicht abhängig machen und wieder süchtig nach Emotionen, Aufmerksamkeit und Nettigkeit werden.
Ich bin und handle auch wirklich widersprüchlich und auch oftmals unsicher, was Männer angeht. Einerseits wünsche ich mir täglichen Kontakt, am liebsten direkt eine guten Morgen Nachricht und eine vor dem Schlafen gehen und noch ein paar Texte zwischendurch. Bestenfalls ganz oft sehen, Dinge unternehmen, ein Kompliment aus dem Nichts. Regelmäßige Bestätigung und Sicherheit. Aber andererseits wird es mir auch schnell zu viel und ich bekomme Angst. Vor allem in der Anfangsphase. Ich weiß nicht, was die richtige Mischung hierbei ist und ich versuche mich hier noch selbst zu verstehen. Aber er schien es zu merken und machte alles intuitiv genau richtig.
Ich nahm mir vor, dieses Mal wirklich meine Gedanken und Bedürfnisse zu kommunizieren und ihn nicht im Dunkeln zu lassen. Ich würde ihm sagen, dass es mir wichtig war, dass wir es langsam angehen ließen. Vorausgesetzt, es gäbe ein weiteres Treffen.
Die Gedanken kamen mir aber erst, als ich in Ruhe zu Hause angekommen war.
Er hatte mich auf dem Großteil des Heimwegs begleitet und wir hatten weiter locker geschwatzt und gelacht. Irgendwann kamen wir an eine Hauptstraße mit einer Metrostation und ich bat ihn, hier einzusteigen. Ich wusste, dass mich nach Hause zu bringen ein riesiger Umweg für ihn wäre und auch wenn ich es zu schätzen wusste und er darauf bestand und wiederholte, dass es ihm keine Umstände bereitete, so blieb ich hartnäckig.
Er ließ sich überreden und verabschiedete sich mit einem Kuss von mir. „Schreib mir bitte, wenn du zu Hause bist!“
Ich konnte spüren, dass es nicht einfach eine dahergesagte Floskel war.
Er drehte sich um, ging zwei Schritte und kam nochmals auf mich zu, nur um mir nochmal einen Kuss zu geben.
Ich glaube, mein Herz schmolz in diesem Moment.
Zu Hause angekommen, kramte ich mein Handy raus, um ihm Bescheid zu sagen. Er war wach geblieben, antwortete mir bereits kurz darauf und bedankte sich.
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Hört sich doch super an.. dann hoffen wir mal, dass die Lovestory weitergeht. Ich wünsche es dir jedenfalls v ❤️, Mucki 😘